Physiologischer
Gewichtsabfall
Nach der Geburt haben die meisten Neugeborenen einen leichten Gewichtsabfall, der ganz normal ist. Im
Durchschnitt liegt er bei circa 5 %, bei ausschließlich gestillten Neugeborenen zwischen 5 und 7 %. Der maximal tolerierbare Gewichtsverlust wird von Experten mit 10 % des Geburtsgewichtes
angegeben und bedarf einer genaueren Beobachtung- auch, was das Stillmanagement angeht. Normalerweise fällt die Gewichtsabnahme im Durchschnitt jedoch nur um circa 1 % geringer aus, wenn früh
zugefüttert wird. Zudem besteht bei einer Zufütterung mit künstlicher Säuglingsnahrung die Gefahr, dass natürliche Stoffwechselvorgänge und Adaptationsmechanismen negativ beeinflusst
werden.
Wenn eine medizinische Zufütterung unerlässlich ist, kann diese im Idealfall mit
Muttermilch geschehen, die per Hand oder mittels einer Brustpumpe gewonnen und möglichst nicht mit der Flasche gegeben wird (siehe
Saugverwirrung). Bei einzelnen Müttern muss mit einer ungenügenden Milchbildung gerechnet werden. Das ist nach der Geburt aber nicht vorauszusehen. Wenn auch bei optimaler Stilltechnik, viel
Hautkontakt und häufigen Anlegeversuchen möglichst unter den Bedingungen des „Rooming-in“ sowie der täglichen Gewichtskontrolle des Kindes ein Gewichtsverlust von etwa 10 % des Geburtsgewichtes
erreicht ist, muss eine unzureichende oder verzögerte Milchbildung angenommen werden. Hier besteht eine absolute Indikation für eine
Zufütterung des Kindes und zwar nicht in Gestalt von Tee und Zuckerlösungen. Ideal wäre die Zufütterung von Muttermilch (oder
Spenderinnenmilch), Ist das nicht möglich muss eine industrielle Milchnahrung für Neugeborene mit allen notwendigen Nahrungsstoffen in Betracht gezogen werden. Bei relativ kleinen
Neugeborenen mit Geburtsgewichten unter 3000 g und/oder geringgradig zu früh geborenen Kindern (35 bis 36 Wochen) mit geringeren Energie- und Wasserreserven ist es für Mutter und Kind von
Vorteil, wenn bereits ab einem Gewichtsverlust von 7 bis 8 % zugefüttert wird. Eine Zufütterung sollte immer eine ärztliche Entscheidung sein, die
den Eltern begründet werden muss. Bei kranken Neugeborenen, unreifen Frühgeborenen und hochgradig untergewichtigen
Termingeborenen gelten selbstverständlich andere Richtlinien.
Unterzuckerung
Alle bisherigen Kenntnisse über die Physiologie des Neugeborenen sprechen dafür, dass der Energie- und
Wasserhaushalt auf das nachgeburtlich langsam zunehmende natürliche Nahrungsangebot eingestellt ist und auch nach einem anfänglichen Abfall des Blutzuckers dieser normalerweise auch ohne
Zuckerzufuhr von außen bereits im Alter von zwei Stunden, als Folge der beginnenden hormonellen Eigenregulation des Stoffwechsels, wieder ansteigt. Diese Eigenregulation kann durch die Zufuhr von
Zuckerlösungen bei manchen Kindern sogar erheblich gestört werden. Hinzu kommt, dass die hauptsächliche Energiegewinnung beim Neugeborenen durch den Fettabbau erfolgt und sein Gehirn im Gegensatz
zum Erwachsenen auch Spaltprodukte des Fettabbaus verbrennen kann. Obwohl der physiologische Ablauf des Stoffwechsels beim Neugeborenen allgemein bekannt sein sollte, ist die wichtigste
Begründung einer Zufütterung vor allem von Glukoselösung bei Neugeborenen die vermeintliche Gefahr einer Unterzuckerung. Die Furcht der Unterzuckerung hat sich erheblich verstärkt, seitdem die
ursprünglichen Normalwerte für die Glukosespiegel eines Neugeborenen durch die Einführung der Frühfütterung angehoben wurden. Die Ernährung der Neugeborenen in diesen beiden Studien mit früher
Zufütterung von Glukose und Milchnahrung sind jedoch als Normalwerte unbrauchbar, weil sie nicht als physiologisch angesehen werden kann. In einer Vergleichsstudie zwischen gestillten und mit
Säuglingsmilch ernährten Neugeborenen (jeweils nach Bedarf) hatten die gestillten Neugeborenen geringgradig, aber signifikant, niedrigere Blutzuckerwerte. Einzelne der gestillten Kinder hatten in
den ersten drei Lebenstagen Blutzuckerwerte unter der heute angenommenen Grenze von 45 mg/dl.
Wichtig zu wissen: Sprechen Sie vor einer Zufütterung mit Flaschennahrung mit einer Stillfachperson und Ihrem stillfreundlichen
Kinderarzt.
Die World Health Organisation (WHO) hat Empfehlungen für medizinische
Zufütterungsgründe herausgegeben, wobei unterschieden werden muss zwischen:
-
Babys, die mit Muttermilch/Frauenmilch ernährt werden
sollten, die aber nicht an der Brust gestillt werden können (Babys, die von ihren Müttern getrennt sind, zu schwache Babys, Babys, die Saugprobleme haben, z.B. wg. oralen
Fehlbildungen). Die Muttermilch kann mittels einer Sonde, oder anderen alternativen Zufütterungsmethoden, gegeben werden.
-
Babys, die zusätzlich zur Muttermilch Nahrung bzw. eine Spezialnahrung erhalten müssen (Frühgeborene
mit einem Gewicht unter 1500 g oder vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren sind, Babys mit medizinischen Problemen, bei denen ein Risiko für zu niedrige Blutzuckerwerte besteht, bei denen
Muttermilch nicht sofort zur Verfügung steht, dehydrierte, fehl- oder unterernährte Babys (bei denen ein Mangel an Muttermilch nicht (sofort) behoben werden
kann).
-
Babys, die keine Muttermilch erhalten dürfen, sondern bei denen eine spezielle Nahrung angezeigt ist
(z.B. Babys mit seltenen Stoffwechselerkrankungen).
-
Babys für die keine Muttermilch/Frauenmilch zur Verfügung steht (Mutter ist verstorben oder Mütter,
die sehr weit entfernt oder nicht in der Lage sind Muttermilch abzupumpen)
-
Konditionen der Mutter, die das Stillen beeinträchtigen (zu wenig Brustdrüsengewebe, körperlich sehr
stark geschwächte Mutter, Medikamenteneinnahme, bei der nicht gestillt werden kann und einige Infektionskrankheiten).